Gundsätzliches
In der Evangelischen Kirche von Westfalen gibt es nicht nur die eine Kultur, nicht nur christliche Kunst oder Soziokultur, Gospelkonzerte oder Krippenspiel. Im Flächenland zwischen einem halben Ballungsraum – dem Ruhrgebiet – und architektonischen Kleinoden, die der Weserrenaissance zuzuschreiben sind, existieren viele regional ausgeprägte Kulturen, kulturelle Bedürfnisse und Kunstformen.
Ob eine „Kirche der Kulturen“ in einem Ballungsraum als Gottesdienst- und Veranstaltungsort auftritt oder eine Gemeinde im ländlichen Raum auch Galerie mit Wechselausstellungen zu zeitgenössischer Kunst ist, ob es Gemeinden gibt, die kommunale Tanzprojekte initiieren und durchführen oder ob in Offenen Kirchen Theater gespielt wird. All das – und noch viel mehr – macht die Kulturarbeit in der EKvW aus. Und nach Interesse, Notwendigkeit und Möglichkeit überwiegt dann mal der Aspekt des Gotteslobes die ästhetischen Kriterien oder die kulturpolitische Diskussion wird dem Krippenspiel vorgezogen.
Menschliche Kreativität schafft Artefakte, die über eine bestimmte Funktion hinausgehen, aber ganz offensichtlich ein Bedürfnis nach Versenkung, Selbstvergessenheit, Abgeschlossenheit, wie auch immer definierter Schönheit und ein über sich Hinauswachsen befriedigen. Dies ist sicherlich einer der unmittelbarsten Berührungspunkte von Theologie und Kunst. Außerdem wohl auch der, der heute für den größten Austausch zwischen diesen beiden „Schwestern“ sorgt.
Kunst zu nutzen für das Verbreiten von Inhalten, ist über Jahrhunderte eine wesentliche Aufgabe christlicher Kunst gewesen, wobei im Laufe der Zeit der Individualstil des Künstlers und sein technisches Können auf eine Bedeutungsverschiebung hin zu innerkünstlerischen Kriterien festzustellen ist – das kann man spätestens in den Werken der Renaissance feststellen. Da mochten sich kirchliche Auftraggeber nicht nur mit einer besonders gut gelungenen Darstellung einer Bibelgeschichte schmücken, sondern auch noch mit dem Werk eines besonders berühmten, bekannten oder wertvollen (sprich: teuren) Malers.
Der Doppelcharakter der Kunst, Ware zu sein und zugleich ein Mittel, um Werte und Anschauungen und letztlich Angebote zur Identifikation zu transportieren tritt hier schon voll zutage. Kunst gehört zu beiden Sphären.
Und dann gibt es natürlich auch inhaltliche Aspekte, die beim Umgang mit Kunst in Kirchen beachtet werden können und die ein echtes Unterscheidungskriterium zur Freien Kunst ausbilden: In der Musik und der Malerei, auch in der Bildhauerei, gab und gibt es Künstler, die ihre Fähigkeiten in den Dienst der Kirche gestellt haben – nicht nur für den Broterwerb, sondern auch, weil sie ihre Arbeit als eine Form von Gotteslob verstanden wissen wollten. Die Unterscheidung wird bestimmt von der Absicht: die Fähigkeit und Möglichkeit durch Könnerschaft, Erfahrung und Intuition etwas Künstlerisches zu schaffen, dem überzeitlich Bedeutung zugeschrieben wird bei gleichzeitiger Indienststellung des Schaffenden zu Gottes Ehren.
Kunst in der Kirche findet nie in einem weltanschaulich neutralen Raum statt. Eine Theateraufführung, ein Konzert oder eine Lesung wird immer ein bestimmtes Raumerlebnis mitvermitteln. Sie werden ergänzt durch tradiertes und symbolisches Wissen, das die Zuschauer und Gäste einer solchen Veranstaltung mitbringen. Dieses Mitdenken oder sich Erinnern an andere Kontexte erweitert das künstlerische Erleben dessen, was gerade geboten wird. Das macht Darbietungen in Kirchen so vielschichtig.
Kirchen in der EKvW sind aber nicht nur besondere Orte künstlerischer Produktion und Darstellung, sie sind meist Teil einer Gemeinde, die hier ihren kulturellen Aktivitäten nachgeht. In diesem Umfeld wird immer wieder diskutiert, in welchem Verhältnis die Arbeiten von Laien und Profis zueinander stehen, welche Funktion Kunst in der Kirche erfüllt, welche Haltung eine Gemeinde gegenüber freier Kunst entwickelt, wie stark der Dialogcharakter dieses Austauschs ist, oder eben auch darüber, wie groß der Anteil gemeindlicher Arbeit in Kultur sein soll.
Die Diskussion, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in der Gesellschaft haben, wird in den Gemeinden eben auch geführt. Für die meisten ist es ein unverzichtbarer Teil ihrer Aufgaben. Wie das aussieht, stellen wir hier vor.
Das Heft "Kultur ist Verheissung", kulturpolitische Leitlinien und kulturtheologische Leitfragen, können Sie hier herunterladen.